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Yamaha XSR 125 Legacy, Modelljahr 2023

Alex berichtet über seine ganz persönliche Geschichte mit seinem B196-Traumbike und nimmt uns mit auf eine Probefahrt durch den Landkreis Verden.

Alex’ ganz persönliches B196 Traum-Bike: 

Bevor man sich in jemanden verliebt, der drei Ligen über einem spielt, sollte man ihn besser gar nicht erst treffen, denke ich, während ich auf dem Weg bin, zum Händler meines Vertrauens, Schollys in Kirchlinteln (www.schollys.de), um meine XSR 125 für eine Probefahrt abzuholen. Meine XSR, das sage ich ganz bewusst. Da bin ich monogam, traditionell, ganz exklusiv. Denn wir, die XSR 125 von Yamaha und ich, haben eine Art Vorgeschichte.

Die Vorgeschichte geht so: Vor knapp zwei Jahren stieg ich vom Auto auf das Motorrad um. Es war Corona, eine Zeit großer Perspektivlosigkeit, eingesperrt mit der Familie. Ich meine: Was macht es einen Unterschied, wenn du mal mit 100 über die Landstraße knallst, während du laut unter dem Helm jubelst. Ich ging also zu meinem alten Fahrlehrer, bei dem ich schon mehrfach durch die Autoführerscheinprüfung gefallen bin, und mein Fahrlehrer lachte, mit dieser Raucherlache wie abstützender Bauschutt, und attestierte mir Masochismus (siehe auch Archiv auf Kradblatt.de: „Erfahrung: B196 Führerschein“).

Nach den Übungsstunden, und dem gefühlten Sterben mit einer 125er auf der Autobahn, weil ich wesentlich mehr Angst hatte als gedacht, hatte ich meinen B-196-Führerschein in der Tasche. Jetzt fehlte nur noch eine Yamaha zu meinem Glück. Eine Yamaha, wie ich sie im Unterricht hatte.

Enttäuscht stellte ich fest, dass es von Yamaha in dieser Klasse nur Sportbikes gibt, die ich grundsätzlich nicht ausstehen kann. In Havanna sagte mir mal ein alter Kubaner bei einer Zigarre, während wir auf den Hafen hinausblickten: „Ein Mann läuft nicht. Ein Mann schlendert nur.“ Und so halte ich das seitdem.

Zu meinem Glück, stieß ich beim vehementen Durchsuchen der Produktpalette Yamahas auf einige verwackelte Videos aus Thailand und Indien, wo es wohl eine 125er nicht nur als Sportversion gab, sondern als Retro-Variante. Eine XSR, nur in klein. Eine XSR für einen Menschen wie mich.

Mit schwitzenden Fingern, rief ich meinen Yamaha-Händler an, bei dem ich schon meine Schutzkleidung gekauft hatte. Ja, sagte der Mann, eine kleine XSR sei angekündigt – und werde bald auf den Markt kommen. Er halte mich auf dem Laufenden. Wochen verstrichen. Monate verstrichen …

Er, sagte der Mann mal irgendwann seufzend, bekomme leider auch keine neuen Informationen. Täte ihm leid. Und ich wartete … Ich wartete, und wartete, und wartete. Und als die XSR wieder und wieder verschoben wurde, als von Logistikschwierigkeiten wegen Corona und Lieferengpässen der Teile die Rede war, nahm ich mein letztes Geld und kaufte mir eine 125er Brixton. Ich wollte die Welt, und erwarb praktisch einen Teil des Saarlandes.

Ich fuhr ein knappes Jahr mit der Brixton und gewöhnte mich dran. An die Macken, die doch sehr geringe Leistung. Die rostigen Stellen. Ich meine, sie war halt auch nur halb so teuer, was will man erwarten. Da muss man fair sein. Die Foren waren voll von Leuten, die das beklagten, aber selbst Abhilfe schaffen konnten. Ich fühlte mich überfordert und brachte sie zu Profi-Schraubern, und mit dem Geld hätte ich vielleicht irgendwann meine XSR gehabt. Nachts träumte ich, wie ich mich beim Herüberbeugen in ihrem roten Lack spiegelte. Wenn ich an meinem Händler vorbeifuhr, oder große XSRs geparkt in den Straßen sah, wandte ich mich ab. Zu schwer war zu verstehen, dass es keine XSR geben würde für mich.

Dann kam die Nachricht: Die XSR 125 ist jetzt da. Ich ging ins Badezimmer und schrie die Wand an. Denn jetzt war das Geld wirklich weg. Ich versuchte, meine Brixton zu verkaufen. Was, auch wegen Corona, weniger gut ging. Irgendwie tat sie mir leid, mein treues Gefährt. Aber wenn du eine veritable Midlife-Crisis hast, man weiß, wie das ausgeht. Aber niemand, so schien es, wollte gerade meine Maschine kaufen.

Als ich sie irgendwann loshatte, an einen Fahrschüler aus der Nähe von Kiel, der noch dieses Leuchten in den Augen hatte, das bei mir längst verloren war, verkaufte ich meine Brixton frustriert, dermaßen unter dem Preis, und meinen Helm auch gleich mit, und hing das Motorradfahren wieder an den Nagel. Geldtechnisch war an eine neue XSR 125 eh nicht mehr zu denken.

Monate später: Ich bekomme eine E-Mail von Steffie. Sie arbeitet bei Schollys. Ob ich noch Interesse an meiner XSR 125 hätte, sie hätten gerade einen Vorführer da, in der Legacy-Edition. Ich kaute eine Weile an den Fingernägeln – und sagte schüchtern: ja. Bevor man sich verliebt, sollte man sich vielleicht gar nicht erst treffen, dachte ich. Ich fühlte mich wie als Zehnjähriger, als ich mein Zimmer voller Bravo-Poster hing, und ich an die Decke starrte und mit Britney Spears zusammen war.

Unsere erste Begegnung war aufregend. Ich strich ihr über den Lack, zaghaft, schüchtern, in der Angst, wegen der Selbstbeteiligung etwas kaputtzumachen. Die Sonne spiegelte sich verwegen im schwarzen Legacy-Lack, und alles daran war wild. Sie war so ganz anders als meine Brixton: todschick, kompakt und alles so satt, fest montiert, so kurvig und schön und sie würde sicher schön an den Hafen passen von Havanna. Sehnsüchtig stieg ich auf.

Als ich sie anließ und den Gang kommen ließ, machte sie einen Satz. Ich war kein Junge mehr, aber auch nie ein Mann geworden und nun buckelte sie gleich wie eine große, schwarze Katze, die mich abwerfen wollte. Ich richtete mein Visier.
Wir fuhren sehr gemächlich den Weg zum Abfallhof auf und ab, bis ich mich an die Leistung und das Motorradfahren wieder gewöhnt hatte. Sie war viel spritziger, agiler und sprach stark an. Ich experimentierte mit dem Licht, dem Lenker, den Blinkern, den morschen Kontinentalplatten. Meine Hüfte machte Probleme. Ich habe da so einen Defekt, etwas schmerzte spitz.

Wir fuhren gemächlich ins Dorf und von da aus trug sie mich hinaus in die Felder, kurvig und hin und her wie argentinische Musik. Wir fuhren die alten Wege ab, die ich mit der Brixton abgefahren war, und beschleunigten Richtung Autobahn. Selbst bei 80 km/h riss sie noch an, was bei der Brixton selbst bei 70 kaum noch ging. Der Wind riss an den Klamotten, der Weg war frei. Ich war auf der XSR angekommen.

What a feeling. Silent tears of pride.

Der Horizont weit, die Felder ungeschützt. Ich bildete mir das Knarzen einer südamerikanischen Bass-Geige ein, während wir uns davontragen ließen.

Es waren all die Details, die bei einer teureren Maschine sicher Standard waren, aber für mich völlig neu. Dass der Blinker zurückkippte, der Tankdeckel fest war und nicht nach dem Öffnen in der Hand lag. Dass die Lichtanlage satter war und die Gänge beim Schalten nicht klangen, als breche hier gleich das Metall. Versteht mich nicht falsch, ich mag das. Ich dachte immer, ich wäre ein alternder Rocker, der die besten Jahre hinter sich hat. Udo Lindenberg oder der Mann, der das Buch über ihn geschrieben hat. Aber dies war einfach völlig anders. Feiner. Abgestimmter. Eleganter.

Mit diesem Gefährt konnte man sich in der Öffentlichkeit blicken lassen, ach was: schmücken. Die rassige Zeichnung, und alles erinnerte eher an eine große Maschine, und nicht daran, dass man „nur“ den B196 und Minderwertigkeitskomplexe hat.

Als wir uns trennten, ich hatte gerade noch getankt, war es früher Abend. Die Sonne neigte sich höflich vom Himmel, einer Verbeugung gleich. Ich schloss das Lenkradschloss und gab die Maschine zurück. „Und, wie war es?“, fragte der Mann vom Service, aber ich sagte nichts. Ich gab ihm pflichtbewusst meinen Helm und strich mir über das Haar.

Dann ging ich den Parkplatz hinunter und auf Höhe meines Autos drehte ich mich noch mal um, sah sie an, dastehen. Schwarz in der Sonne, die rassigen Zeichen. Und dann verabschiedete ich mich, wie man sich gebührend von jemandem verabschiedet, von jemandem, mit dem man jetzt ein Geheimnis hat.

Wir wussten beide, dass meine Motorradlaufbahn vielleicht nie richtig Fahrt aufnehmen würde. Dass ich nicht das Geld hatte für ein teures Hobby. Dass ich, selbst wenn, vielleicht zu geizig wäre, vielleicht zu vernünftig, zu ängstlich vielleicht.

Aber wir wussten beide: Sollte ich je wieder an ein Motorrad denken, würde ich an sie denken. An diesen Nachmittag mit ihr. Mit einem wehmütigen Gefühl und der Frage, was aus uns geworden wäre, wenn wir nicht die wären, die wir waren. Adieu, mon amour. Ein Mann läuft nicht, er schlendert, hat mal jemand gesagt und den Horizont an der Hafenausfahrt betrachtet. Und so wollen wir’s handhaben …

„Der Artikel erschien in Kradblatt-Ausgabe 7/23” www.kradblatt.de

aus Kradblatt 7/23 von Alexander Krützfeldt, www.thewild.de
Fotos: Arne von Brill, www.arnevonbrill.de und Yamaha/Werk

 

 

 

 

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